Stürzen gehört beim Klettern dazu und passiert oft schnell und unvorhergesehen. Damit die Angst vor dem Sturz das Klettervergnügen nicht schmälert, kann man den Ernstfall trainieren und so das Verletzungsrisiko minimieren. Wie das aussehen kann zeigen wir euch im folgenden Text.
Beim sogenannten Sturztraining macht man genau das: Man trainiert das Stürzen. Beim Sportklettern ist das der Fall ins Seil. Das kann schnell passieren: Ein Griff bricht oder dreht sich, man rutscht mit den Fingern oder Füßen ab, manchmal fehlt vielleicht auch einfach die Kraft für einen besonders herausfordernden Teil der Route. Man stürzt also – und dann?
Das richtige Verhalten im Sturzfall kann das Verletzungsrisiko minimieren. Ein gutes und regelmäßiges Sturztraining schult die Reflexe und bringt zudem mehr Vertrauen ins Material sowie die eigenen Sturzfähigkeiten. In der Ausgabe Nr. 115 des Magazins „bergundsteigen“ erklären Christoph Pirchmoser und
Markus Schwaiger, welche Übungen es dafür gibt und wie man sie am besten anwendet.
Ein Sturztraining absolviert man am besten im Rahmen eines Kletterkurses unter professioneller Anleitung durch Kursleiter und Kursleiterinnen. Sind die Übungen gut eingespielt und hat man auch einen entsprechend erfahrenen Kletterpartner bzw. Kletterpartnerin an der Seite, kann das Sturztraining regelmäßig bei den eigenen Klettereien miteingebaut werden.
Übung 1: Die richtige Sturzposition
Die Position beim Sturz ins Seil lässt sich vergleichen mit der Position des Torwarts beim Fußball: Der Oberkörper ist aufrecht, die Schultern machen einen leichten Rundrücken, die Hände sind nach oben etwa in Kopfhöhe vorbereitet und die Beine leicht angewinkelt. Nur steht man eben nicht am Rasen sondern hängt im Seil. Durch den leichten Rundrücken und das Anspannen der Bauchmuskulatur verhindert man, dass man beim Sturz nach hinten kippt und sich beim Zurückpendeln an die Wand nicht abfangen kann.
Das übt man am besten in Absprunghöhe und mit einer Matte. Dazu die Beine auf etwa gleicher Höhe auf Tritte platzieren, mit einer Hand an einem Griff über dem Kopf festhalten und in die Knie gehen. Die andere Hand neben dem Kopf heben. Aus dieser Position langsam wie ein Wassertropfen lösen, in dem Beine und Arme gleichzeitig loslassen, der Blick geht nach unten. Wichtig dabei: Nicht von der Wand wegspringen oder abstoßen. Beim Zurückpendeln ist der Aufprall umso härter und damit auch das Verletzungsrisiko erhöht.
Übung 2: Körperdynamisches Sichern
Auch das richtige Sichern bei einem Sturz will gelernt sein. Die Intuition sagt uns, dass wir uns bei starkem Zug am Seil diesem entgegenstemmen, um den Sturz abzufangen. Besser ist es jedoch, dem Zug „hinter her zugehen“ und in Bewegung zu bleiben, um nicht flach gegen die Wand gezogen zu werden. So kann man sich mit Schritten abfangen und dann auch mit einem Fuß an der Wand abstützen.
Üben kann man das, in dem sich beide Partner ins Seil einbinden und der kletternde Teil des Teams mit schnellen Schritten und Zug einen Sturz simuliert. Der Sichernde bewegt sich mit. Wichtig hierbei ist, dass die Bewegung möglichst ruckartig und unvorhergesehen passiert. Klappt das gut wiederholt man dieselbe Übung mit geschlossenen Augen.
Übung 3: Fallen ins Seil in Toprope
Nun geht es ans eigentliche Sturztraining. Dazu braucht es eine geeignete Route und genügend Platz. Zudem sollte hier immer noch durch den Trainer, die Trainerin hintersichert werden. Achtet zudem darauf, dass ihr hoch genug klettert, um einen Bodensturz zu vermeiden.
Damit der Kletternde selbst bestimmen kann, wie weit er oder sie „stürzen“ möchte, hängt man dazu die entsprechende Zwischensicherung ein. Dann wird der Kletternde abgeseilt und zwar so weit, wie er oder sie möchte. Anschließend klettert er oder sie wieder bis kurz unter die eingehängte Zwischensicherung nach oben, das Seil wird allerdings nicht nachgezogen. Dann nimmt man die Position aus Übung 1 ein und lässt sich „abtropfen“. Der Sichernde versucht das Gelernte aus Übung 2 umzusetzen. So oft wiederholen, bis sich beide in der Situation sattelfest fühlen. Dann kann man sich an die Königsklasse heranwagen: Den Vorstieg.
Übung 4: Sturztraining im Vorstieg
Die Ausgangsituation ist die gleiche wie bei Übung 3: Der Part mit dem Ablassen und dem Schlappseil wird jedoch ausgelassen. Der Kletternde gibt dem Sichernden mit einem kurzen Kommando Bescheid, dass er oder sie sich „abtropfen“ lässt. Sinnvoll ist es, dies maximal bis zur Höhe der nächsten Zwischensicherung zu üben, denn weiter sollte ein Sturz in der Kletterhalle nie sein. Das Ziel dieser Übung ist sowieso nicht, die maximale Sturzhöhe auszutesten, sondern die eigene Reaktion zu trainieren und sich selbst zu beobachten, um eventuelles Fehlverhalten korrigieren zu können.
Abschließend ist zu erwähnen, dass man sich an das Stürzen klein herantasten sollte. Beginnend mit den „Trockenübungen“, dann erst an der Wand Stürze simulieren und schließlich kann man sich mit der Fallhöhe immer weiter steigern. Vor allem ist aber wichtig: Üben, üben, üben!